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Das Ende des Arnoldo Alemán

Nicaraguanische Parlamentarier entmachten den Ex-Präsidenten
Es herrscht politisches Tauwetter in Nicaragua, denn der ehemalige Präsident Arnoldo Alemán besitzt nicht mehr den politischen Einfluss der Vergangenheit. Der neue Präsident Bolaños bekämpft erfolgreich die Korruption der alten Machtclique um Alemán, was ihm bei der Bevölkerung hohe Beliebtheitswerte beschert. Aber ob die Abwahl Alemáns als Parlamentspräsident die nicaraguanische Demokratie festigt, bleibt abzuwarten.

 

Die plötzliche Abreise von María Dolores Alemán am 18. Juli wurde in Managua als Zeichen des bevorstehenden Zusammenbruchs ihres Vaters Arnoldo angesehen. Über Costa Rica reiste sie in die Dominikanische Republik, wo Daddy sich einen Palast als Alterssitz gebaut hat. Wenige Tage später folgte ihr die Ehefrau María Fernanda mit den beiden Stiefsöhnen. Ob Arnoldo Alemán, dem vorgeworfen wird, während seiner Präsidentschaft ein Vermögen zusammengestohlen zu haben, bald nachkommt oder doch einen Prozess in Nicaragua riskiert, ist Gegenstand von Wetten und Spekulationen. Entscheiden muss er sich bald.

 

Am 19. September wurde er als Parlamentspräsident abgesetzt. Seine Auslieferung an die Justiz ist nur mehr eine Frage der Zeit. Es war nie ein Geheimnis, dass die wundersame Reichtumsmehrung des cholerischen Kaffeepflanzers nicht nur legale Wurzeln hat. Alemán soll vor seiner Wahl zum Bürgermeister von Managua im Jahre 1990 nichts weiter besessen haben als eine sieben Hektar große Kaffeeplantage. Vor seiner Angelobung als Präsident im Januar 1997 deklarierte er eine Million US-Dollar Privatvermögen. Fünf Jahre später wurde es auf 250 US-Dollar geschätzt. Nur die konservative Unternehmerfamilie Paellas ist noch reicher. Allerdings wuchs bei ihr das Vermögen über mehrere Generationen.

Alemán wusste, dass man früher oder später auf die Idee kommen würde, seine Geschäfte zu untersuchen. Aber er hatte ja vorgesorgt. Dank eines politischen Paktes mit seinem Erzrivalen Daniel Ortega erfreut er sich eines lebenslangen Abgeordnetenmandats und damit immer währender Immunität. Auch in Nicaragua kann die Nationalversammlung allerdings die Immunität ihrer Abgeordneten aufheben, wenn diese dringend verdächtig sind, Straftaten begangen zu haben, die nichts mit ihrer Amtsführung zu tun haben. Auch dagegen meinte sich Alemán versichert zu haben. Die Mandatsträger der Liberalen Allianz sind fast ausnahmslos enge Vertraute oder Verwandte, die mehrheitlich selbst im Korruptionssumpf stecken und daher persönliches Interesse haben, einen Prozess zu verhindern.

 

Die liberalen Abgeordneten wählten ihren Chef auftragsgemäß zum Parlamentspräsidenten und blockierten jede Initiative zu dessen Auslieferung an die Justiz. Eine kleine Gruppe von fünf Dissidenten, die sich zur Politik von Präsident Bolaños bekannte, reichte nicht aus, um gemeinsam mit den oppositionellen Sandinisten eine neue Mehrheit zu schaffen. Bolaños, der Alemán jahrelang als Vizepräsident zur Seite gestanden hatte und als Vorsitzender einer Antikorruptionskommission wenig Initiative gezeigt hatte, wurde als Präsident plötzlich zum Saubermann. Schon in seiner Antrittsrede sagte er der Korruption den Kampf an und tatsächlich unternahm er in der Folge nichts, um die Ermittlungen der Justiz zu behindern. Selbst die USA entzogen Alemán ihre schützende Hand. Zuletzt hielten nur noch die katholische Kirchenhierarchie unter Kardinal Obando y Bravo, die an den abgezweigten Staatsgeldern mitnaschen durfte, und die Parlamentsfraktion zu Alemán. Und die erodiert zusehends unter dem öffentlichen Druck.

 

Im August ging Bolaños in die Offensive und machte öffentlich, wie sein Vorgänger gewirtschaftet hatte. Gemeinsam mit 13 Angehörigen, von den Brüdern über die Tochter bis zu den Schwägern und Neffen, soll Alemán mindestens 97 Millionen US-Dollar aus öffentlichen Geldern veruntreut und über ausländische Banken gewaschen haben. Dazu kamen noch Enthüllungen über die Repräsentationsspesen: sein Verlobungsfest in Miami, das stolze 46.000 US-Dollar kostete, die Shopping Liste der First Lady in Ägypten samt Parfums und Teppichen - immerhin 22.530 US-Dollar, eine Rechnung vom Hotel Taj Mahal in Indien - 30.878 US-Dollar, Kleinigkeiten wie 12.549 US-Dollar für Juwelen oder 6.749 US-Dollar für eine Schneiderin wurden mit der Kreditkarte der Zentralbank beglichen.

 

Kurz nachdem die Presse derartige Details genüsslich ausgebreitet hatte, wuchs die Opposition innerhalb der liberalen Fraktion auf neun Abgeordnete an. Darunter Jaime Morales Carazo, der Patenonkel und langjährige Vertraute Alemáns. Dieser sah sich gezwungen, einer Forderung der Opposition nachzugeben und eine Untersuchungskommission einzusetzen. Allerdings sorgte er gleichzeitig für deren Scheitern, indem er sieben Vertrauensleute in das elfköpfige Gremium entsandte. Das war selbst einigen Freunden unter den Abgeordneten zu viel, und erstmals gab es im Parlament eine knappe Mehrheit gegen den umstrittenen Caudillo. Da der Parlamentspräsident die Aufhebung seiner Immunität auch gegen eine Mehrheit mit taktischen Manövern verhindern könnte, führte der einzig erfolgversprechende Weg über den Austausch des Vorsitzes. Dem versuchten sich die Alemánisten mit immer groteskeren Mitteln zu widersetzten. Sie boykottierten nicht nur die Plenarsitzung am 19. September, sondern verriegelten auch das Parlamentsgebäude. Die zur entscheidenden Abstimmung erschienenen Abgeordneten mussten einen Schlosser kommen lassen. Das Parlament fanden sie dann ohne Wasser und Strom vor. Die Klos waren verriegelt. Ohne Klimaanlage und mit einem einzigen Saalmikrofon wählten sie Alemán und seine Getreuen wegen Gesetzesbruchs und verfassungswidriger Akte ab und besetzten den Vorsitz durch sandinistische und regierungsloyale Mitglieder. Auch der einzige konservative Abgeordnete bekam einen Sekretärsposten.

 

Anschließend wurde eine neue Untersuchungskommission eingesetzt. Alemán selbst blieb der Sitzung fern. Einigen Abgeordneten soll er Reisen in die Schweiz oder ganze Liegenschaften versprochen haben, um sie umzustimmen. Für ihn handelte es sich um einen "nichtigen und terroristischen Akt", gegen den er den Obersten Gerichtshof anrufen wolle.

 

Vor dem Parlament hatte sich inzwischen im strömenden Regen eine Menschenmasse angesammelt, die die Debatte live im Radio verfolgte und schließlich in Jubel ausbrach. Der 19. September glich einem 19. Juli der sandinistischen Zeit, als der Jahrestag des siegreichen Volksaufstandes gegen den Diktator Somoza begangen wurde. Angeführt wurde die Menschenmenge von Sandinistenchef Daniel Ortega, der durch seinen Pakt mit Alemán dessen lebenslange Immunität erst ermöglicht hatte. Die Abstimmung in der Nationalversammlung wird als großer Sieg im Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit betrachtet. Nichtregierungsorganisationen hatten mehr als 900.000 Unterschriften gesammelt, und am Tag vor der Abstimmung besetzten Demonstranten die Kathedrale von Managua, um die Auslieferung Alemáns zu erzwingen.

 

Ob die Demokratie durch den Sturz Alemáns nachhaltig gestärkt wird, bleibt abzuwarten. Denn wenn es um politische Posten geht, werden Alemán und sein sandinistisches Pendant Daniel Ortega immer noch handelseins. Anfang Oktober einigten sie sich gemeinsam mit Kardinal Obando y Bravo auf den umstrittenen Roberto Rigas als Vorsitzenden des Zentralen Wahlrats. Rivas, von den Medien höflich als "Schützling des Kardinals" tituliert, laut vox populi aber ein leiblicher Sohn des Kirchenfürsten, war maßgeblich am Fluss von Schwarzgeldern an die Bischöfe beteiligt. Aus dem Kriminaldelikt machten die drei starken Männer einvernehmlich ein Verwaltungsvergehen, womit der Ernennung nichts im Wege steht. Die Sandinisten wurden mit anderen Schlüsselposten und einer Reorganisation des Wahlrats belohnt.

 

Für Präsident Enrique Bolaños ist die bevorstehende Auslieferung seines Vorgängers ein wichtiger Etappensieg. Denn seine hohen Popularitätswerte trotz wirtschaftlicher Misere hat er fast ausschließlich der Korruptionsbekämpfung zu verdanken. Bolaños hofft, dass diese Politik auch Investoren anlocken kann. Denn er erbte ein Land am Rande des Bankrotts. Die Hälfte der Bevölkerung Nicaraguas lebt in einem Korridor der Trockenheit, wie das Welternährungsprogramm jene Zonen definiert, "die immer wieder Naturkatastrophen ausgesetzt sind und in denen große Teile der Bevölkerung regelmäßig Hunger leiden". Gegenwärtig sind etwa 6.000 Kleinkinder am Verhungern. Allein 15 Kinder verhungerten während der jüngsten Blockaden arbeitsloser Kaffeearbeiter. Davon unbeeindruckt bleibt der IWF, der im jüngsten Sanierungspaket verfügte, dass Nicaragua fast zwei Drittel seiner Einnahmen - internationale Wirtschaftshilfe eingeschlossen - zur Schuldentilgung aufwenden muss. Für den Wirtschaftswissenschaftler Adolfo Acevedo sind das unhaltbare Zustände, die eine wirkliche Entwicklung des Landes nicht zulassen. Autor: Ralf Leonhard. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Lateinamerika Nachrichten.

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