Berlin lokal - international
Fachkonferenz der Carl Duisberg-Gesellschaft "Städtepartnerschaften im Kontext der Lokalen Agenda", 21 06-08.11. 2001 im Roten Rathaus Berlin
1992 wurde auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro die Lokale Agenda 21 verabschiedet. Aus der Notwendigkeit heraus, Maßnahmen gegen die zunehmende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und die wachsende soziale Kluft zwischen Nord und Süd zu entwickeln, wurde die Lokale Agenda 21 als ein Aktionsprogramm konzipiert, mit dem sich 178 Staaten dieser Erde darauf verständigten, für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung zu sorgen.
Die Carl Duisberg-Gesellschaft richtete mit ihrer Konferenz im November ein Forum aus für die Diskussion der Rolle internationaler Städtepartnerschaften als einem wichtigen Baustein der Lokalen Agenda 21. Neben Vertretern der Partnerstädte und –kommunen (Buenos Aires, Moskau, Shanghai, Seoul, Johannesburg, Windhoek und Madrid, Maputo / Moçambique, San Rafael del Sur / Nicaragua und Cajamarca / Perú) sorgten Teilnehmer von Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und Parteien sowie internationaler Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit dafür, dass die Komplexheit der Agenda 21 deutlich wurde. Der Horizont der Konferenz war abgesteckt durch die im September 2002 in Johannesburg stattfindende "Rio +10-Konferenz", die im großen Rahmen bilanzieren wird.
In seinem Einleitungsreferat thematisierte Dr. Manfred Konukiewitz (BMZ) die Entwicklung nach dem UN-Gipfel 1992 in Rio als den "Rio-Prozess" der nachhaltigen Entwicklung. Für eine Rückschau auf diesen Prozess sei die Leitfrage sinnvoll, inwieweit der Grundsatz der Nachhaltigkeit umgesetzt worden ist. Diese Rückschau hat sich mit den verheerenden Folgen der Globalisierung in den letzten 10 Jahren auseinander zu setzen, die so in Rio noch nicht abzusehen waren, kann ihnen jedoch auch die Geschichte der Agenda 21 selbst entgegensetzen. Als Konzept in Rio noch nicht präsent, avancierte die Agenda 21 zu der Erfolgsgeschichte. Dieser Erfolg basiert auf der Integrationskraft der lokalen Ebene für anstehende Probleme; die Konzentration auf Maßnahmen auf dieser Ebene und die weltweite Vernetzung der im Sinne der Lokalen Agenda 21 handelnden Kommunen haben ein internationales Erfahrungsaustauschsystem entstehen lassen.
Nachhaltigkeit, als globaler Generationenvertrag, schliebt in ihrer Nord-Süd-Dimension sowohl die unterschiedliche Einschätzung von "Entwicklung" und "Umwelt" ein als auch die zentrale Frage der Verschuldung. Die Diskussion über diese Schwerpunktsetzungen relativierte schließlich die Polarisierung –Norden = Priorität Umwelt, Süden = Primat (ökonomische) Entwicklung – in der Forderung nach einer notwendigen Gesamtsicht im Sozialen. Dabei ergab sich auch, dass die soziale Komponente "im Süden" schon immer stärker im Vordergrund steht, und "der Norden" in dieser Hinsicht eher noch zu lernen hat.
Die notwendige nationale Unterstützung für Lokale Agenda-Strukturen findet ihren Niederschlag etwa im Grundsatzbeschluss des Deutschen Städtetages oder in der Arbeit von ICLEI (International Council for Local Environmental Initiatives/Internationaler Rat für kommunale Umweltinitiativen) und von Towns & Development (Städte und Entwicklung). Towns & Development wurde von J. Rademaker vorgestellt. 1986 auf der Konferenz From charity to justice (Von Wohltätigkeit zu Verteilungsgerechtigkeit) gegründet, versteht sich die Organisation als Schnittstelle in der Nord-Süd-Zusammenarbeit. Als Service-Netzwerk für Kommunalbehörden und Nichtregierungsorganisationen unterstützt Towns & Development die dezentralisierte Kooperation auf der Ebene von Städtepartnerschaften und regionalen Unterstützungsprogrammen. Rademaker wies nachdrücklich auf das noch lange nicht ausgeschöpfte Potential der Städtepartnerschaften hin, etwa in Bezug auf den Austausch von know-how und Personal.
Die Vertreter der Enquêtekommission "Lokale Agenda 21/Zukunftsfähiges Berlin", die ein Leitbild, sowie ein Ziel- und Indikatorenprogramm für Berlin entwickelt hat, zeigten die spezifischen Probleme für Berlin auf, die u.a. der Grund dafür sind, dass noch kein Aktionsprogramm ausgearbeitet werden konnte: Der Einfluss der Kommission ist beschränkt, da sie selbst nicht beschlussfähig ist. Sie hat Zielkonflikte zu gewärtigen (bspw. Verschuldung der Stadt vs. Schaffung von Arbeitsplätzen), und mit der Tatsache einer geringen Bevölkerungsbeteiligung umzugehen. Bei letzterem Problem ist zu unterscheiden zwischen individueller Beteiligung, etwa bei der Veränderung des Konsumverhaltens, und politischer Partizipation. In dieser Frage zeichnete sich eine grundsätzlich unterschiedliche Sichtweise ab – dem Zweifel, ob eine massenhafte Bürgerbeteiligung wünschenswert oder überhaupt möglich wäre, wurde in der Diskussion die Umsetzung einer partizipativen Haushaltsführung in Porto Alegre (Brasilien) als funktionierendes Modell gegenübergestellt (s. Atabal Nr. 43).
In ihrer Funktion als Vertreter der Berliner Parteien äußerten sich alle Mitglieder der Enquetekommission positiv zu Städtepartnerschaften: Die Grünen hoben in diesem Zusammenhang hervor, dass die Hauptamtlichkeit in den Städtepartnerschaftsvereinen gefördert werden müsse, die SPD forderte ein fundiertes 7-Punkte-Programm zur breitangelegten Unterstützung von Städtepartnerschaften. Die PDS gab zu, dass sie als Partei Städtepartnerschaften bisher stiefmütterlich behandelt habe, dies solle sich in Zukunft ändern. Der CDU liegt vor allem am kommunikativen Faktor.
Die zahlreichen Berichte aus den Partnerstädten verdeutlichten die Vielfältigkeit der Probleme und entsprechenden Aktionsprogramme. Die Städtepartnerschaften Berliner Bezirke – Lichtenberg/Maputo (Moçambique), Treptow-Köpenick/Cajamarca (Peru) und Friedrichshain-Kreuzberg/San Rafael del Sur (Nicaragua) machten darüber hinaus deutlich, dass die Bezirksfusionen in Berlin und die sich daraus ergebenden internen Probleme sich nachteilig auf bestehende Aktionsprogramme der Lokalen Agenda auswirken. Der Bürgermeister unserer Partnergemeinde, Noel Cerda Méndez, der von der Carl Duisberg-Gesellschaft zu der Konferenz eingeladen worden war, stellte das aktuelle PRODISA-Projekt vor und unterstrich die Wichtigkeit einer fortgesetzten Unterstützung bei der Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, bei einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung, die es gerade den Ärmsten ermöglicht, eine medizinische Grundversorgung wahrzunehmen, sowie beim Aufbau eines Menschenrechtszentrums in Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsorganisation CENIDH (Centro Nicaragüense de Derechos humanos, Nicaraguanisches Menschenrechtszentrum). Als längerfristiges Projekt nannte er die Entwicklung eines Regionalplans, der für die nächsten 20 Jahre Leitlinien definiert. Dazu gehört beispielsweise die Festlegung von Naturschutzgebieten oder Wassereinzugsgebieten. Ein weiteres Ziel der künftigen Entwicklung ist die Lenkung der Tourismusindustrie im Sinne eines "sanften Ökotourismus".
Als Ausbildungsmöglichkeiten für Agenda-Akteure wurden auf der Konferenz schlieblich noch das Umweltschutztraining des UNEP (United Nations Environment Programme, Umweltschutzprogramm der Vereinten Nationen) sowie der Studiengang "Master in Urban Management" an der TU Berlin vorgestellt. Dieser zweijährige Studiengang geht über die traditionelle Stadtplanung hinaus und reagiert auf die zunehmende Urbanisierung der Welt. Als zweite Komponente werden Kurzkurse (4-6 Wochen) angeboten, die sich etwa an Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen richten. Der Berlinbezug des Studiums bildet die dritte Komponente.
Die Konferenz bot neben einer Fülle von Informationen und Zwischenbilanzen auch einen Eindruck von den anstehenden Aufgaben, deren Lösungen u.a. eine Verbesserung der Kommunikationsstrukturen zwischen den Agenda-Einrichtungen erfordert. Der Austausch von Fachkenntnissen, Mobilisierungsstrategien und Partizipationsmodellen müsste in einer gemeinsamen Informationsplattform realisiert werden. Neben den lokalen Leitbildern und Visionen entwickelte die Konferenz auch ein visionäres Selbstverständnis in bezug auf eine Vernetzung und einen produktiven Austausch der Agenda 21-Akteure, was der Komplexheit eines globalen Denkens Rechnung trägt.