Saison der Hurrikane
Der folgende Bericht über die inzwischen zu Ende gegangene Regenzeit mit ihren jährlich über Nicaragua ziehenden Hurrikanen stammt von Franz Thoma, unserem Koordinator in San Rafael del Sur.
Managua, den 03.November
Wie in jedem Jahr sind im Herbst Tropenstürme und Hurrikane über Mittelamerika hinweg gezogen, aber so viele wie in diesem Jahr waren es noch nie. Gewöhnlich bekommen diese Stürme einen Namen, der mit einem jeweils anderen Buchstaben des Alphabets beginnt, aber da das in diesem Jahr nicht ausreichte, mussten die beiden letzten schon auf Griechisch ALPHA und BETA genannt werden. Und noch ist die Saison nicht beendet.
Der letzte Hurrikan BETA hat Haken geschlagen wie ein Hase, und die ganzen Prognosen der MeteorologInnen bezüglich seiner voraussichtlichen Route waren falsch. An der Atlantikküste und teilweise im Landesinnern hat er starken Regen gebracht und überall haben Windböen auch Dächer abgedeckt. Dieser Hurrikan war letzten Endes jedoch kaum schlimmer als eine normale Tormenta Tropical, die eben einen unmäßigen Starkregen verursacht. Die Berichterstattung über die von ihm verursachten Schäden läuft allerdings immer noch im Fernsehen, da es besonders in schwer zugänglichen Gebieten abregnete und dort erst nach und nach Fernsehteams eintreffen. Das ganze Ausmaß der Schäden ist also noch nicht bekannt. (Inzwischen weiß man, dass an der Atlantikküste insbesondere viele tausend Hektar Wald vernichtet wurden. Die Redaktion)
Die 1998 nach dem verheerendem Wirbelsturm MITCH in allen Landesteilen gegründeten Notkomitees (comité de prevencion y mitigacion de desastres) waren in ganz Nicaragua aktiviert und ich glaube, das war eine gute Übung für sie, weil sie offensichtlich funktionieren, wenn auch manchmal mit Schwierigkeiten (Ich selbst habe von Sonntag auf Montag auch im Büro von San Rafael del Sur geschlafen, es ging aber lediglich darum, gegenüber dem örtlichen Komitee, in dem auch CEDRU vertreten ist, Solidarität und Präsenz zu zeigen). In San Rafael del Sur, wo alle wie im ganzen Land den Hurrikan erwarteten, gab es allerdings teilweise strahlend blauen Himmel! Schlagartig verschwand dieses Naturphänomen Montag Nacht und erreichte nicht mehr die Pazifikküste. Meiner Einschätzung nach richtete also dieser Hurrikan BETA direkt keine wahnsinnigen Schäden an.
Damit will ich nicht sagen, dass hier alles in Ordnung ist, im Gegenteil, es gab eben nur keine spektakulären Bilder im Fernsehen wie bei MITCH. (Und von daher gibt es auch nur wenig, oder besser gesagt kein zusätzliches Geld für Nothilfe von internationalen Organisationen). Es regnet jetzt schon seit Monaten unglaublich stark. Gestern hat es hier auf der carretera vieja a Leon, wo ich wohne, so stark geregnet, dass sich die ganze Strasse in einen Fluss verwandelte. Das habe ich bisher noch nie so registriert. Da sind Sturzbäche von Schlammwasser in die Häuser gelaufen, die BewohnerInnen waren chancenlos. Die Abwassergräben sind übergelaufen, überall liegt jetzt Müll und Schlamm auf den Strassen, ich behaupte mal kühn, dass das gesamte Straßennetz in Nicaragua zerstört oder mindestens reparaturbedürftig ist. Die Straße Managua - San Rafael del Sur ist auch nur noch ein einziges Schlagloch. Dadurch ist sie momentan supergefährlich, weil dir permanent Autos auf der falschen Spur entgegenkommen, die den unzähligen Schlaglöchern ausweichen wollen. Der Schaden in der Landwirtschaft ist natürlich ebenso immens, das kann ich zumindest sicher von San Rafael del Sur behaupten. Über Leon und Chinandega, wo es noch sehr viel stärker geregnet hat, brauchen wir gar nicht zu reden. Wie hoch die Niederschlagsmenge insgesamt tatsächlich war, müsste man bei INETER nachschauen, dazu kam ich bisher noch nicht. Aber der Boden ist dermaßen mit Wasser gesättigt, dass auch kleinere Regengüsse nur noch oberirdisch ablaufen können, das ist schon seit Wochen das Problem.
Unser Schulbau, der planmäßig am 01.11.05 angelaufen ist, ist von dem Wetter natürlich auch stark behindert. Letztendlich haben wir ein Grundstück in El Salto bekommen, wo das kommunale Komitee eigentlich die Wasserversorgungstanks hinbauen wollte, also der höchst gelegene Punkt der Gemeinde, mit einer wunderbaren Aussicht. Das Bürgermeisteramt will den Weg nach oben (für die Materialzufuhr wie Sand, Kies etc) mit einem Caterpillar freimachen. Wenn das nicht passiert, müssen wir den Sand in Eimerchen hochtragen, das kann lustig werden. Die Schulbesuche der Aids- und Drogenteams, ebenso wie die der MitarbeiterInnen des Menschenrechtsbüros, sind auch stark beeinträchtigt, weil der Regen die Wege teilweise unpassierbar macht. Unsere MitarbeiterInnen haben übrigens alle schon vor Wochen Gummistiefel und Regenschutzkleidung bekommen.
Gerade hat es wieder angefangen zu regnen, hinter meinem Haus, Richtung El Crucero, hängen schon wieder rabenschwarze Regenwolken, die hier den Tag blitzschnell zur Nacht machen. Die Hurrikansaison läuft weiter, ich hoffe nur noch, dass sich schnell wieder blauer Himmel zeigt und bin mir sicher, dass ich hier nicht der einzige bin, der sich das wünscht.
Saludos
Franz