Amtsübergabe in San Rafael del Sur
Nach den Kommunalwahlen übernimmt der Liberale Santiago Ruiz das Bürgermeisteramt und "räumt" erst mal auf ...
In unserer letzten Ausgabe hatten wir bereits vom Ausgang der Kommunalwahlen in Nicaragua berichtet. In unserer Partnergemeinde San Rafael del Sur konnte die liberale PLC mit ca. 37% die Wahl für sich entscheiden, während die Frente Sandinista mit ca. 33% ihren Bürgermeisterposten räumen musste. Der Bürgermeister Noel Cerda, der unsere Arbeit vor Ort immer unterstützt hat, übergab nun sein Amt an seinen Nachfolger Santiago José Ruiz Molina.
Dieser hatte sich im Wahlkampf vor allem für den Aus- und Neubau von Straßen, die Eröffnung einer technischen Berufsschule, einer Bibliothek mit Internetzugang und einer Bankfiliale sowie verbesserter Stromversorgung in Teilen der Gemeinde stark gemacht. Damit konnte sich der 55-Jährige gegen seine Konkurrenten durchsetzen und stellt nun für die kommenden vier Jahre den Bürgermeister San Rafael del Surs. Es bleibt abzuwarten, welche seiner ehrgeizigen Pläne umgesetzt werden...
Pompöse Übergabe und sachliche Entlassungen
Die Amtsübergabe fand zum ersten Mal öffentlich im Beisein von mehreren Tausend ZuschauerInnen im Baseballstadion von San Rafael del Sur statt und erreichte ihren Höhepunkt bei der Übergabe einer Schärpe von Noel an seinen Nachfolger. In dieser Form war die Amtsübergabe tatsächlich neu und wurde vom Einmarsch der Beteiligten ins Stadion sowie Reden von Noel Cerda und Santiago Ruiz, Tanzaufführungen und der religiösen Segnung durch den örtlichen Pastor abgerundet. Nach dieser pompösen Einführung ging Ruiz in den folgenden Tagen jedoch erst mal zur Sache: Er entließ auf einen Schlag 103 Gemeindeangestellte, darunter langjährige Angestellte, die schon mehrere politische Wechsel im Amt überlebt hatten. Ruiz Molina bricht zwar mit diesen Entlassungen insofern keine Traditionen, als dass jeder neue Bürgermeister meistens ein paar Bekannten, Freunden und Familienangehörigen einen Posten zuschanzt. Jedoch zog er sich durch die massenhaften Entlassungen gleich zu Beginn seiner Amtszeit den Zorn der Bevölkerung zu - es wäre wohl taktisch klüger gewesen, Schritt für Schritt über ein paar Wochen oder Monate verteilt die Besatzung auszutauschen, als mit einem Mal die Angestellten an die Luft zu setzen. Durch ein schrittweises Vorgehen hätten somit die anhaltenden Proteste der Bevölkerung vermieden werden können, so eine etwas zynische Bemerkung eines Bekannten vor Ort... Fakt ist, dass die Betroffenen ziemlich unsanft ihrer Ämter enthoben wurden, indem ihnen einfach der Zugang zum Gemeindegebäude verwehrt und ein Entlassungsschreiben in die Hand gedrückt wurde. Daraufhin versammelten sich diese und weitere SympathisantInnen unter einem Polizeiaufgebot und versuchten lautstark, ihre Rechte einzufordern - erfolglos. In den folgenden Tagen verliehen sie ihrer Forderung nach einer Behandlung gemäß des geltenden Arbeitsrechts bei einem Besuch des Menschenrechtszentrums Cenidh ( Centro Nicaragüense de Derechos Humanos) in Managua Nachdruck. Auf die Vorwürfe der entlassenen Angestellten angesprochen, gab Ruiz Molina an, dass die Entlassenen entweder überzählig oder Vertrauenspersonen der alten Führung seien - wobei er beispielsweise die Empfangsdame der Bürgermeisterei als Vertrauensperson einstufte.... zu weiteren Kommentaren war die neue Führung nicht geneigt und beantwortete auch nicht die Telefonanrufe der Presse.
Und nun...
Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Entwicklungen in San Rafael unter der neuen liberalen Führung stattfinden werden. Eines stellte Ruiz jedoch gleich zu Anfang an klar - das Menschenrechtszentrum, welches bisher mietfrei in Gemeinderäumen untergebracht ist, wird keine Unterstützung mehr bekommen - wir sind gespannt, was der politische Wechsel in San Rafael für die Arbeit des Vereins und kooperierende Einrichtungen bedeuten wird.. Hoffen wir das Beste!
Belinda Hanke