Schmutziger Wahlkampf um die nächste Präsidentschaft
In Nicaragua ist bereits der Wahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen 2006 entbrannt. Das hat unmittelbare Folgen für den politischen Alltag, da die großen Parteien sich nicht scheuen, zur Schwächung des politischen Gegners Taktiken einzusetzen und kurzfristige vom Kalkül bestimmte Koalitionen einzugehen, die sich manchmal nur schwer mit dem jeweiligen Parteiprogramm oder politischen Auftrag in Einklang bringen lassen. Die gar nicht heimlichen Lenker dieser unwürdigen und die nicaraguanische Gesellschaft spaltenden Aktionen sind einmal mehr Daniel Ortega und Arnoldo Alemán.
Ein zweiter Pakt FSLN/PLC
Die geringsten Chancen, den nächsten Präsidenten zu stellen, hat sicherlich APRE, die Partei des jetzigen Präsidenten Bolaños. Diese Partei war vor den Kommunalwahlen 2005 von Alemáns ehemaligem Vizepräsidenten aufgrund der internen Differenzen innerhalb der PLC gegründet worden, hat im Parlament aber nur 10 von 92 Stimmen und landete auch bei den Kommunalwahlen weit abgeschlagen hinter FSLN und PLC. So sind es wieder diese beiden historischen Parteien mit ihren Führern Daniel Ortega und Arnoldo Alemán, die um die Macht im Staat ringen werden, obwohl Alemán wegen Geldwäsche rechtskräftig zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, diese Strafe allerdings bequem im Hausarrest auf seiner Hacienda El Chile absitzt. Als politischer Faktor ist Alemán also selbst als verurteilter Häftling nach wie vor ein Schwergewicht, der unverhohlen die Politik seiner Fraktion im Parlament bestimmt. Und obwohl FSLN und PLC politische Gegner sind, beherrschen ihre Caudillos mit ihren Fraktionen gemeinsam die politischen Entscheidungen des Landes und bilden einen neuerlichen Pakt, der die politische Macht des gewählten Präsidenten zugunsten des von ihnen beherrschten Parlaments beschneidet und die eigenen Positionen stärkt.
Aber dieser Pakt ist zerbrechlich, denn wenn es opportun erscheint, dann werden auch schnell einmal die Seiten gewechselt oder gemeinsam mit Bolaños der "Nationale Dialog" beschworen. So ändern sich die Koalitionen von Woche zu Woche, aber Ziel all dieser Kapriolen ist nicht unbedingt eine Politik zum Wohle des Landes, sondern der vordergründige Versuch, für die jeweils eigene Partei und ihren Kandidaten beste Startvoraussetzungen für den beginnenden Wahlkampf zu schaffen.
Ortega contra Lewites
Diese Voraussetzungen waren für die FSLN durch die anhaltende Spaltung der Liberalen günstig wie lange nicht mehr. Dies beunruhigte auch die Botschaft der USA, die zwischenzeitlich den Versuch machte, die Liberalen wieder zu vereinen, was allerdings vorläufig fehlschlug. Deshalb ist nur schwer verständlich, dass Daniel Ortega, der sich nach drei vergeblichen Versuchen ein weiteres Mal um das Präsidentschaftsamt bewirbt, in seinem ungezügelten Machtstreben seinerseits die Spaltung der Frente Sandinista riskiert.
Der neuerlichen Benennung Ortegas als Präsidentschaftskandidat durch einen engen Führungskreis um den Parteivorsitzenden widerspricht vehement der landesweit sehr angesehene Ex-Bürgermeister von Managua, Herty Lewites. Er plädiert für eine demokratische interne Wahl des Präsidentschaftskandidaten, für die er sich ausgezeichnete Chancen ausrechnet.
Seine Popularitätswerte sind aufgrund seiner Amtsführung in Managua nicht nur unter den Mitgliedern der FSLN, sondern unter den AnhängerInnen aller Parteien so gut, dass er gute Aussichten auf einen Wahlerfolg bei den Präsidentschaftswahlen hätte. Doch das nimmt Ortega wie schon in der Vergangenheit nicht kampflos hin. So hat sich in den letzten drei Monaten eine parteiinterne Schlammschlacht entwickelt, die nahezu täglich für politische Schlagzeilen sorgt.
Lewites geißelte die parteiinterne "Diktatur" Ortegas und beharrt auf seinen Anspruch als aussichtsreichster Kandidat, und Ortega schlug zurück, setzte Anfang März seine eigene Nominierung durch und veranlasste unter fadenscheinigen Gründen den unehrenhaften Parteiausstoß von Lewites und Victor Tinoco, Leiter der Wahlkampagne und Mitglied des Nationalen Direktoriums der FSLN. Dennoch bescheinigt eine Gallup-Umfrage von Ende Februar, dass 60 Prozent der sandinistischen Mitglieder Lewites als Präsidentschaftskandidaten sehen möchten, während sich nur 30 Prozent für Ortega aussprechen.
Diese Präferenz für Lewites ist seit Oktober vergangenen Jahres kontinuierlich gestiegen, und mit ihr und ganz offensichtlich durch die Popularität Lewites´ bedingt hat auch die FSLN als Partei fünf Prozentpunkte zugelegt und würde zum jetzigen Zeitpunkt mit 36 Prozent gegenüber 28 Prozent der PLC in der Wählergunst vorn liegen.
Käme es zu einer Entscheidung zwischen Lewites und dem wahrscheinlichen Kandidaten der PLC, Eduardo Montealegre, so erhielte Lewites laut der Umfrage 60 Prozent gegenüber 40 Prozent für Montealegre. Das gleiche Bild bei der Frage nach dem besten Kandidaten: 30 Prozent für Lewites, 16 Prozent für Montealegre, und Ortega mit 10 Prozent nur auf Platz drei.
Allerdings muss gesagt werden, dass 41 Prozent der NicaraguanerInnen heute, ein Jahr vor der Wahl, noch keine feste Präferenz haben. Es wird auch abzuwarten sein, wie sich der Ausschluss von Lewites aus der FSLN auswirken wird. Es ist wahrscheinlich, dass Lewites seine eigene Partei unter dem Namen Frente Amplio gründen wird. Aber auch danach war in der Umfrage Ende Februar schon gefragt worden. Auch in diesem Fall würden sich 76 (!) Prozent der SandinistInnen bzw. 51 Prozent aller WählerInnen für Lewites entscheiden, 48 Prozent der liberalen Mitglieder bzw. 22 Prozent der WählerInnen für einen liberalen Kandidaten Montealegre.
Natürlich ist noch nichts entschieden, vieles kann in den kommenden Monaten noch passieren, was die Situation wieder vollkommen verändert. Aber das Bild einer starken und geeinten FSLN hat wie schon vor vergangenen Wahlen unübersehbare Risse bekommen, die einen Wahlsieg erneut in Frage stellen könnten. Aber offensichtlich hat der Machterhalt innerhalb der eigenen Partei für einige Führungsmitglieder Vorrang. So verkündet der ehemalige Außenminister Miguel d´Escoto auf der Homepage der FSLN: "Ich würde es vorziehen, mit Daniel zu verlieren, als mit jemandem zu gewinnen, dessen Sieg das Ende der Sandinistischen Front bedeuten würde".
Erich Köpp