"Don Franz" hat viel zu erzählen

Unser Koordinator Franz Thoma zu Gast in Berlin

 

Was ist denn nun eigentlich ein Peliguey?

Endlich hatten wir Gelegenheit, Franz Thoma einmal direkt zu fragen, was denn das Besondere an dieser Schafsrasse sei. Für zwei arbeitsreiche, intensive und doch auch mit Spaß erfüllte Wochen war unser Koordinator im November in Berlin, um in Gesprächen mit Vorstand und Mitgliedern vom Stand der Dinge in San Rafael del Sur zu berichten, geduldig unsere Fragen zu beantworten und gemeinsam die Perspektiven der weiteren Arbeit zu entwickeln.

 

Natürlich war die "Integrierte Armutsbekämpfung", das PRODISA, Hauptgegenstand der Gespräche. Für uns Berliner wurde dabei sehr deutlich, wie schwierig sich die praktische Umsetzung der Vorhaben gestalten, wie sehr der "Teufel im Detail" stecken kann. Unser Ansatz, in diesem Programm vorzugsweise alleinerziehende Frauen zu begünstigen, lässt sich beispielsweise nicht so ohne Weiteres verifizieren, wie wir uns das aus unserer europäischen Distanz gelegentlich vorstellen: Oft schrieben sich nämlich männliche Familienmitglieder für eine der Projektkomponenten ein, weil die Frauen wegen ihrer häuslichen Pflichten Probleme haben, einen langwierigen Fußmarsch dafür auf sich zu nehmen, oder weil der älteste Sohn inzwischen als Haushaltsvorstand gilt. In der weiteren Evaluierung des Projekts soll herausgefunden werden, wer denn nun effektiv die Arbeit z.B. im hausnahen Gemüseanbau oder bei der Hühnerzucht macht. Die Vermutung, dass der Frauenanteil höher als auf der Einschreibungsliste sein dürfte, liegt nahe.

 

Auch in vielen anderen Aspekten lernten wir Berliner, dass das Projekt im Großen und Ganzen genau dem entspricht, was in San Rafael del Sur dringend notwendig ist, dass aber gleichzeitig noch stärker politische, soziale und kulturelle Eigenheiten und Traditionen Nicaraguas in vielen Details zu berücksichtigen sein werden. PRODISA wird mit Beginn des kommenden Jahres in seine zweite Phase eintreten: Hinzu kommen die Bereiche Trinkwasserversorgung in Gebieten, die von zentralen Systemen nicht erreicht werden können, eine umfassende Verbesserung der Basisgesundheitsversorgung und der Aufbau eines Büros und eines Netzes von Promotor(inn)en zum Schutze der sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte. Für Franz seinerseits war sicher wichtig zu erkennen, dass auch die Arbeit in Berlin nicht ganz unproblematisch abgewickelt werden kann. Viele Vorstandsmitglieder sind durch Studium oder Beruf zeitlich so stark belastet, dass sie die steigende Arbeitsflut im Verein kaum noch oder gar nicht mehr bewältigen können. Hinzu kommt, dass bei einigen auch die nähere berufliche Zukunft ungewiss ist, so dass sie eine langfristige Übernahme von Aufgaben nicht zusagen können.

 

Beide Aspekte, die vage Berliner Situation wie die aus der Distanz schwer einzuschätzende Entwicklung der Projekte in San Rafael del Sur, führten in den vielen Gesprächen mit Franz dazu, die zukünftige Projektplanung und –abwicklung möglichst weitgehend nach Nicaragua zu verlagern. Das würde die Vorstandsarbeit sehr entlasten, so dass dessen Mitglieder sich wieder stärker der Perspektiv-Diskussion über die weitere Entwicklung der städtepartnerschaftlichen Beziehungen widmen könnten. Für Franz bedeutet diese Veränderung mehr Schreibtischarbeit, auf die er sich bereits in einem zweitägigen Fortbildungskurs über EU-geförderte Projekte in Bonn vorbereitete. Franz betätigte sich "nebenbei" auch immer wieder als Übersetzer für den gleichzeitig in Berlin weilenden Bürgermeister San Rafaels, Noel Cerda. Er begleitete ihn und Vorstandsmitglieder auch zu deren Treffen mit Mitgliedern aller in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg vertretenen Fraktionen und mit der Bürgermeisterin, Dr. Bärbel Grygier, und einigen unserer Stadträte. Diese Begegnungen dürften für die weitere Entwicklung der Städtepartnerschaft von einiger Bedeutung sein.

 

Für die Mitgliedschaft des Vereins, aber auch für Franz, war das mit ihm im Büro Naunynstraße veranstaltete Sonder-Plenum sicher einer der Höhepunkte seines Aufenthalts. Er referierte in seiner lebendigen Sprache über den Bau des Gesundheitszentrums in Masachapa, die neue zentrale Trinkwasserversorgung für San José – km 54 und über alle Aspekte des PRODISA. Auch Noel Cerda, der Bürgermeister von San Rafael del Sur, betonte noch einmal die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit dem Verein, der als einziger seit 15 Jahren eine kontinuierliche Hilfe, insbesondere im ländlichen Bereich leistet. Und Franz beantwortete die zahllosen Fragen der vielen erschienenen Mitglieder mit Engelsgeduld.

 

Ach ja, was ist denn nun ein Peliguey? Tja, da lehnt sich "don Franz", inzwischen vom Krankenhausarchitekten zum Fachmann der Kleintierhaltung mutiert, zurück und erklärt, dass das ein dem Klima angepasstes, also ohne dicke Wolle ausgestattetes Tier sei, das 6 Monate nach seiner Geburt bereits fähig sei, nach weiteren vier Monaten Nachwuchs auf die Welt zu bringen, und zwar im Schnitt 1,5 Nachkommen pro Exemplar, dass man es nicht nur mit Gras, sondern auch mit eiweißreichen Nüssen einer bestimmten Baumart füttere, dass man mit Durchmischung der Herden bei der Weitergabe von Tieren an andere Familien Inzucht vermeide – und und und. Insgesamt wurde durch seinen Vortrag jedoch allen Anwesenden deutlich, welche Arbeit unser Büro und unser nationaler Partner Centro de Desarollo Rural (Zentrum für Ländliche Entwicklung, CEDRU) mit ihren begrenzten Kapazitäten in diesem Jahr realisierten. Auch wurde für alle anschaulich, welcher Arbeitsaufwand im Detail hinter der Betreuung und Ausbildung von über 1.000 Kleinbauern und Kleinbäuerinnen steckt, wobei parallel noch die Promotorinnen und Promotoren für die einzelnen Dörfer geschult werden müssen in Fragen verbesserter Anbautechniken, verbesserter Tierhaltung, ökologischer Landwirtschaft und Naturschutz.