Ausverkauf der Ressourcen?

Wie CBM, PPP und CAFTA ineinander greifen

Zahlreiche internationale Projekte der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZ), die nach außen Armut bekämpfen oder die biologische Vielfalt schützen wollen, dienen vor allem internationalen Konzernen und Pharmaunternehmen. Die Belange der lokalen Bevölkerung werden dabei meist nicht berücksichtigt. Im Gegenteil: Maßnahmen werden notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt, in den Projektregionen lebende Menschen gezielt vertrieben. Dies klingt soweit nicht neu. Finanziert werden solche Projekte neben häufig zu Recht angegriffenen internationalen Organisationen wie Internationalem Währungsfonds (IWF), Weltbank und Word Trade Organisation (WTO) auch von deutschen Akteuren wie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die hierzulande kaum in der Kritik stehen. Zu Unrecht, wie das Beispiel des größten Biosphärenreservats Mittelamerikas, Bosawas im Norden Nicaraguas, zeigt.

 

1989 auf einem Treffen zum Schutz und zur Erschließung der biologischen Vielfalt Zentralamerikas entstand die Idee des Paseo Pantera (Pantherpfades), eines neuen Schutzgebietssystems für den Erhalt der Biodiversität. Gleichzeitig wurde von den Präsidenten Zentralamerikas eine Umweltschutz-Charta verabschiedet, auf deren Grundlage die Zentralamerikanische Kommission für Umwelt und Entwicklung (CCAD) geschaffen wurde. Durch den Umweltgipfel 1992 in Rio und eine Finanzspritze von der US-Entwicklungshilfe-Behörde (USAID) erhielt diese Initiative weiteren Auftrieb. Auf einem von der CCAD und der GTZ geförderten Seminar, das 1995 in San José, Costa Rica, stattfand und unter dem Motto "Die biologische Vielfalt Mittelamerikas: Diagnose der ihren Schutz beeinflussenden Faktoren und Entwurf zur regionalen Strategie für ihren Schutz und ihre Wiederherstellung”, stand, wurde der Paseo Pantera in Corredór Biológico Mesoamericano (CBM) (Biologischer Korridor Mittelamerikas) umbenannt. Der CBM ist als Kette von Biosphärenreservaten geplant, deren Kerngebiete von Pufferzonen geschützt werden und die durch so genannte grüne Korridore miteinander verbunden werden sollen. Der offizielle Startschuss für den CBM wurde auf dem 19. Gipfeltreffen der Präsidenten der sieben zentralamerikanischen Länder sowie Mexikos im Juni 1997 in Panama-Stadt gegeben. Das zu einem wesentlichen Anteil von der Weltbank finanzierte Projekt ist mit über 800 Mio. US-$ noch umfangreicher als der Plan Puebla Panamá (PPP), in dem es um den Infrastrukturausbau in Mittelamerika geht.

 

In den Beschreibungen der zahlreichen Einzelprojekte des CBM ist stets in erster Linie die Rede vom Schutz der biologischen Vielfalt beziehungsweise der Flora und Fauna der Regenwälder. Erst in zweiter Linie - und um diesen Schutz zu erreichen - wird von der Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung gesprochen. Die Verträge und Pläne sehen keine Konservierung - also vollständigen Erhalt - vor, sondern nur noch eine nachhaltige Entwicklung. Dies bedeutet letztendlich die Freigabe der Schätze, seien es Wasser, Edelhölzer, Heil- und andere Pflanzen, und somit des gesamten genetischen und mineralischen Reichtums, erklärte die Journalistin Helena Roux auf dem Nicaragua-Kongress im Dezember 2005 in Hamburg.

 

Exemplarisch ist hier das Biosphärenreservat Bosawas im Norden Nicaraguas genannt, das direkt an das Biosphärenreservat Río Plátano in Honduras grenzt. Die Bosawas  sind eine große, wasserreiche Region mit Tropenwäldern und einer mindestens so reichen Artenvielfalt wie das gesamte Amazonasbecken. Ein ideales Gebiet also für die Begehrlichkeiten der Pharma- und Biotechnologieunternehmen, ein unermesslicher Pool mit noch nicht beschriebenen genetischen Konstellationen, ein Schatz an Edelhölzern, ein Raum für Emissions-Handel und vieles mehr. Und die Bosawas sind ein Biosphärenreservat, in dem sich wie in einem Brennglas die Probleme und die Fragwürdigkeit von manchen so genannten Entwicklungsprojekten und internationalen Abkommen wie PPP, CAFTA (Zentralamerikanisches Freihandelsabkommen) und CMB bündeln, wie Helena Roux an Beispielen aufzeigte. So finanziert die Weltbank in Bosawas ein Projekt zur Wasserausbeutung für den Norden. Die deutsche KfW finanziert seit 2002 ein mit 2,56 Mio € ausgestattetes Projekt zum Schutz der Bosawas. Auch die GTZ ist mit hohem Einsatz tätig: Sie verwaltet dieses riesige Gebiet zusammen mit dem angrenzenden Biosphärenreservat in Honduras und hat sich ein stattliches Verwaltungsgebäude errichtet.

 

Insgesamt wurden 2004 in den Bosawas von verschiedenen Regierungen und Organisationen rund 20 Mio US-$ ausgegeben. Für die Menschen dort ist aber praktisch nichts getan worden. Sieben Waldhüter wurden eingestellt, ein Auto zur Kontrolle des riesigen Areals steht ihnen aber nicht zur Verfügung. Die Arbeitsweise der GTZ ist bei der dort lebenden, alteingesessenen und meist indigenen Bevölkerung umstritten. Roux: "Die GTZ-Mitarbeiter und -Ingenieure bestimmen eigenmächtig was getan wird. Sie strukturieren Vereinbarungen einfach um, ohne Beteiligung der betroffenen Bevölkerung." Bei kritischen Nachfragen verweist die GTZ auf MARENA (nicaraguanisches Umweltschutzministerium) und umgekehrt. Erklärungen gibt es nicht. Die Bevölkerung wird übergangen und das, obwohl z.B. der PPP ausdrücklich die Beteiligung und Mitsprache der Bevölkerung festschreibt. Aber auch in anderen Regionen und bei andern Projekten im Rahmen von PPP und CBM kann von der zugesagten Partizipation - also der Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungen über ihre künftigen Lebensumstände - nicht die Rede sein.

 

In den Bosawas begann am 15. Mai 2003 die Vertreibung von mehr als 600 landlosen Familien, die sich im Biosphärenreservat auf der Suche nach einer neuen Lebensgrundlage angesiedelt hatten. Lokale Umweltschutzorganisationen gehen sogar von mehr als 2.000 Familien aus, die über 20.000 Morgen Urwald zerstören würden. Das illegale Fangen und Verkaufen geschützter Arten, wie z.B. Papageien, stellt ein wachsendes Phänomen in Mittelamerika da. Verarmte Menschen suchen in erster Linie nach Möglichkeiten, ihre Lebensbedingungen zu verbessern, der Gedanke an den Naturschutz steht da verständlicherweise hinten an. Des Weiteren werden diesen Menschen kriminelle Machenschaften unterstellt, neben Marihuana- und Kokaanbau soll es in den Bosawas auch um bewaffnete Überfälle gehen. Mit der Rücksiedlung hält sich Nicaragua somit an internationale Verträge, die das Gebiet als Teil des Men and Biosphere Programme der UNESCO sowie des CMB ausweisen.

 

Auch MitarbeiterInnen der Nichtregierungsorganisation WEED (World Economy, Ecology & Development) kritisieren die GTZ-Projekte im CBM dahingehend, dass die Planung beider Schutzgebiete (Bosawas und Río Plátano) ohne ausreichende Beteiligung der indigenen Bevölkerung erfolgte. Verstöße gegen das Verbot der Bewirtschaftung traditionell genutzter Agrarflächen werden vom Staat mit Härte verfolgt, illegaler Einschlag großer Holzfirmen dagegen wird nur selten unterbunden.

 

Warum interessieren sich die Regierungen der Industrieländer überhaupt für Naturschutz in Zentralamerika? In einer Publikation des World Resources Institute werden die Waren und Dienstleistungen aufgelistet, die man von den zentralamerikanischen Ökosystemen erwartet: genetische Ressourcen, die Beseitigung von Luftverschmutzung sowie die Bewahrung von Trinkwasserreserven und Biodiversität. Als wünschenswerte Ergebnisse des CBM wird auf die Entstehung nationaler und internationaler Märkte für Umweltprodukte und -dienstleistungen verwiesen. Biologische Vielfalt und genetische Ressourcen sollen als Innovationsquelle dienen, insbesondere von pharmazeutischen Konzernen wird hier "Biopiraterie" betrieben. Bei der Beseitigung von Luftverschmutzung geht es um die Nutzung tropischer Wälder als CO2-Senken im Rahmen des aus dem Kyoto-Protokoll resultierenden Emissionshandels. Die eigentlichen NutznießerInnen befinden sich in beiden Fällen meist außerhalb jener Länder, wo die konkreten Maßnahmen zum Schutz der Natur notfalls mit Gewalt gegen die lokale Bevölkerung durchgesetzt werden.

 

Die GTZ als wichtigste deutsche EZ-Institution hat eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung dieser Konzepte in Zentralamerika. Sie muss sich dem Vorwurf der Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen stellen, wenn sie einen solch rigiden Naturschutz in Regionen zu verantworten hat, in denen ungelöste Landfragen ein so gravierendes Problem darstellen wie in Südmexiko, Guatemala, Honduras und inzwischen auch wieder Nicaragua.

 

Helena Roux von der Buko-Kampagne gegen Biopiraterie wies in ihrem Referat an anschaulichen Beispielen nach, in welch geradezu erschreckender Weise alle nationalen wie internationalen Pläne, Vereinbarungen und Freihandelsabkommen de facto ein einziges Ziel verfolgen: Strukturen zu schaffen, die der Ausnutzung der reichlich vorhandenen Ressourcen dienen. Von der Textilproduktion in den Máquilas über die Lebensmittelproduktion bis hin zum reibungslosen Warentransport quer durch die Länder Mittelamerikas in die USA oder nach Europa, alles zu minimalen Kosten. Ob CAFTA , PPP , ob CBM oder auch ALCA (Freihandelsabkommen für den ganzen amerikanischen Kontinent außer Cuba) - sie alle sind auf atemberaubende Weise miteinander verzahnt, ergänzen oder bedingen einander zum gemeinsamen Ziel.

 

In Nicaragua beispielsweise sorgt ein nationaler Entwicklungsplan für eine Aufteilung des Landes in bestimmte Wirtschafts- und Nutzungszonen. Entgegen der traditionell gewachsenen, gemischten Bewirtschaftung des Landes wird es nach dem Willen der Regierung und der Geldgeber (u.a. Interamerikanische Entwicklungsbank, EU, KfW) nun eine Konzentration nach Produkten geben. Nicht Nachhaltigkeit und Unterstützung vorhandener traditioneller landwirtschaftlicher Nutzung sind angesagt, sondern die Erschließung neuer Gebiete für Monokulturen, die Abholzung ganzer Wälder und unberührter Gebiete inbegriffen.

 

Die Karte "Agro-ökonomische Potenziale" (die Karte finden Sie nur in der Druck- bzw. PDF-Version des Atabal), zeigt, wie Nicaragua künftig in diverse Korridore eingeteilt wird: Einen für Viehzucht zur Milch- und Fleischproduktion, einen zur reinen Fleischproduktion und jeweils einen zum Reis-, Tabak-, Baumwoll- und Kaffeeanbau. Der nationale Entwicklungsplan garantiert die verkehrstechnische Erschließung der jeweiligen Korridore ebenso wie die Voraussetzungen zur Weiterverarbeitung der Produkte in den berüchtigten Máquilas an den Rändern der Zonen. Es wird beispielsweise eine so genannte Kaffeestraße, eine Fleischstraße und in der Pazifikzone auch eine Tourismusstraße geben. In den andern mittelamerikanischen Ländern funktioniert die Umsetzung des PPP ähnlich. Mit Hilfe von riesigen Kreditsummen - allein 3,5 Milliarden US-$ für den Straßenbau - werden überall exzellente Bedingungen für den raschen Transport, die benötigte Energie und Kommunikation geschaffen, um multinationalen Konzernen ideale Bedingungen zur Ausbeutung der Ressourcen und zur Produktion zu bieten. Das Freihandelsabkommen CAFTA hat ergänzend die passenden Voraussetzungen geschaffen, damit die Güter problemlos und vor allem preiswert abtransportiert werden können, in die USA oder für den anderweitigen Export.

 

Kerstin Wippel
 

Quellen

  • Klaus Pedersen, Lateinamerika Nachrichten online Nummer 361/362 - Juli/August 2004;
  • Helena Roux, Nicaragua privadizada, http://nica.open-lab.org/ila272.shtml
  • Nicaragua-Forum Heidelberg, siehe www.nicaragua-forum.de/03/nns2605.htm;
  • Bruni Franke, Nicaragua-Zeitung des Nicaragua Vereins Hamburg vom Dezember 2005, www.nicaragua-verein.de.
     

Bücher zum Thema

  • Grüne Beute - Biopiraterie und Widerstand, BUKO Kampagne gegen Biopiraterie (Hrsg.), Trotzdem Verlagsgenossenschaft Dezember 2005, ca. 160 Seiten, 12 €, ISBN 3-931786-40-4, auch als Download unter www.gruene-beute.de.
  • Das Gold der Gene - Globale Konflikte und Biopiraterie, Joscha Wullweber. In: Einsprüche Band 15 2004, Verlag: Westfälisches Dampfboot, Münster. 188 Seiten, 15,30 €, ISBN 3-89691-594-0. Zu bestellen auch per mail unter www.bukoagrar.de
  • Agrarfront im Regenwald - Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen in Nicaraguas Biosphärenreservat Bosawas, Monika Oberfrank, Herausgeber: Ina-Maria Greversus und George Marcus, TRANS anthropologische Texte Band 4, LIT-Verlag Münster 2005, ISBN 3-8258-8520-8