Hilfe nach dem Tsunami

Kommunale Partnerschaften erfahren eine Renaissance

Als am zweiten Weihnachtsfeiertag des vergangenen Jahres die Bilder des Tsunami in Südostasien in unsere Wohnzimmer drangen, erinnerten sich viele, die seit Jahren in der Nicaragua-Arbeit aktiv sind, an die furchtbare Flutwelle im September 1992 im Pazifik, die Teile unserer Partnergemeinde San Rafael del Sur zerstörte. Das ungeheure Ausmaß von Tod und Zerstörung wurde schnell erkennbar. Aber was würde nun folgen? Wie können sich die betroffenen Regionen helfen, wie würden die Menschen dieses Desaster verarbeiten? Können wir es uns überhaupt noch vorstellen, wie es ist, alles zu verlieren, keine Sicherheiten in Form von Bankkonten oder Versicherungen in der Hinterhand zu haben oder eine Regierung, die sicherstellt, dass es weitergeht? Wahrscheinlich nicht, doch die bundesdeutsche Bevölkerung überraschte viele mit einer bis dahin nie gesehenen Spendenbereitschaft. Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen DZI unter den 50 größten beteiligten Spendenorganisationen hat ergeben, dass in Deutschland bis Ende Februar 516 Millionen Euro für die Opfer des Seebebens gespendet wurden. Der bisherige Spendenrekord von 350 Millionen Euro (Elbeflut 2002) wurde damit deutlich übertroffen. Inzwischen hat der Spendeneingang allerdings stark nachgelassen.

 

Die großen Hilfsorganisationen schienen anfangs fast überfordert, all die Spendengelder sinnvoll einzusetzen. Schneller Wiederaufbau war das oberste Gebot für die ersten Stunden und Wochen. Aber damit allein ist es nicht getan. Langfristige Hilfe ist von Nöten, um all die Defizite, die durch die Flutwelle entstanden bzw. offenbar wurden, zu beheben. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte daher auch in seiner Neujahrsansprache vorgeschlagen, dass sich die Industriestaaten jeweils für ein von Seebeben und Flutwellen heimgesuchtes Land Südasiens längerfristig verantwortlich fühlen sollten. Auch Bundesländer und Kommunen könnten solche Partnerschaften übernehmen. Der Vorstoß des Bundeskanzlers ist bei vielen Kommunen auf ein positives Echo gestoßen. Anfang Januar begann die Beratungs- und Koordinierungsarbeit der Servicestelle "Kommunen in der Einen Welt" zum nachhaltigen Wiederaufbau der Regionen, die durch die Tsunami-Katastrophe betroffen sind. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des Auswärtigen Amts (AA) hatte InWent über die Servicestelle schnell und effektiv die Koordinationsstelle eingerichtet, die nun deutschlandweite Angebote aufnimmt, berät und vermittelt. Ein interministerieller Arbeitsstab im AA erkundet geeignete Projekte in Zusammenarbeit mit den Botschaften, Konsulaten, Hilfswerken und Nichtregierungsorganisationen vor Ort. Bis Ende Februar gingen weit über 1.000 Anfragen und Hilfsangebote aus Kommunen, von Nichtregierungsorganisationen, Verbänden, Schulen, Krankenhäusern, Unternehmen und vielen anderen ein.

 

Skepsis im Hinblick auf die forcierte Bildung von kommunalen Städtepartnerschaften meldete unterdessen die Direktorin von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel, an. Zwar sei Schröders Hinweis auf die Notwendigkeit langfristigen Beistandes gut, sagte sie. Es sei aber fraglich, ob neue und unter dem noch frischen Eindruck der Katastrophe gebildete Städtepartnerschaften sinnvoll und realistisch seien. Nötig sei vielmehr eine nachhaltig angelegte Entwicklungshilfepolitik, für die die Bundesregierung die Verantwortung trage.

 

Diese Kritik entspricht auch unseren Erfahrungen. Eine Städtepartnerschaft, die "von oben" oktroyiert und koordiniert wird, läuft Gefahr, nach der ersten euphorischen Phase schnell wieder in Vergessenheit zu geraten. Wenn hingegen eine solche Initiative von der Basis der Zivilgesellschaft ausgeht, ist in der Regel aufgrund des persönlichen Engagements eine längerfristige Zusammenarbeit sichergestellt. Es wäre der Region Südostasiens zu wünschen, dass sich die zunehmend pessimistischen Prognosen nicht erfüllen; leider gibt es dazu wenig Anlass. Das sog. Solidaritäts-Hopping, also die verbreitet zu beobachtende Haltung, dass sich Leute heute der einen, morgen einer anderen Region gegenüber solidarisch zeigen,, führt nicht zu einer wirklich effektiven Hilfe. Wir wollen mit unserer Partnerschaft ein Beispiel geben, dass Solidarität auch nach Jahren der Zusammenarbeit erforderlich und möglich ist und gerade erst nach längerer Zeit wirkliche Erfolge zu erkennen sind. Möglich ist diese langfristige Partnerschaft allerdings nur, weil sich viele Bürgerinnen und Bürger in ihr engagieren und das über einen langen Zeitraum hinweg. Unsere Solidarität gilt ganz sicher auch den Opfern des Tsunami. Wir hoffen aber , dass bei allem nachvollziehbaren Wunsch, jetzt die Region Südostasiens zu unterstützen, die bestehenden und seit Jahren erfolgreichen Partnerschaften nicht in Vergessenheit geraten.